Ungemerkt ging gestern vorbei. Das Normale: bei schönem Wetter im Garten arbeiten, Kinder beim Tennisspiel zugucken, ausgedehntes Familienessen und abends mal wieder mal ‘Tatort’ im Fernsehen angucken.
Und vor dem ‘Tatort’‚ het Nieuws angucken. Und was gab es Neues und Interessantes außer den ‘kabinetsformatieperikelen’ in Holland Berichte aus Bonn und Berlin über den Tag an dem die deutsche Wiedervereinigung gefeiert wird.
Den hatte ich total verpasst!
Der Tag an dem die Wiedervereinigung stattgefunden hat war aber der 9. November 1989.
Vielleicht hatte ich es darum vergessen.
Ich kann mich aber noch sehr genau an den 9. November 1989 erinnern.
Ich weiß noch, dass ich an dem Tage krankfeiert habe. Kopfschmerzen oder Grippe. Ich hatte lange geschlafen und bin letztendlich zum späten Frühstück aufgestanden. Ausnahmsweise habe ich vorm Fernsehen gegessen. Zappend von einem zum anderen Programm bin ich schließlich auf ein deutsches Programm gestoßen bin.
Live aus Berlin. Der Fall der Mauer.
So wie damals läuft mir heute noch ein kalter Schauer über meinen Körper.
Für mich war es undenkbar, dass so etwas geschehen konnte. Die Menge, wahnsinnig vor Freude, einander umarmend, tanzend, Stücke der Mauer abreißend, Politiker, die einander unterbrachen, sagten, dass sie es unterstützt hätten, und noch vieles mehr.
Für mich undenkbar, fast science fiction. Ich hatte die deutsche Presse nicht genau gefolgt. Wusste wohl, dass Leute in die Botschaft, ich glaube in Ungarn, geflohen waren und Hilfe gesucht hatten. Aber dass das die Folge war.
Tränen kamen.
Es erinnerte mich an andere Geschehen: zum Beispiel Skifahren im Bayerischen Wald, in der Nähe der Grenze mit dem Kommunismus, mit ‘Wächtern’ auf Ihren Hochstammtürmen. ‘Beobachten die mich denn?’ Das wollte ich immer wissen. Oder ist es unbemannt? Und wenn ich jetzt aus Versehen mal unter den Stacheldraht rutsche? Werde ich dann festgenommen? Oder gilt das nicht wenn man Kind ist und nichts von Politik wissen will? Komisch war es schon.
So auch das eine Mal als ich mit dem Schwimmverein in Berlin war zum Ländertreffen. Wir sind dorthin geflogen und in Tempelhof gelandet. Zum Jugendhaus fuhren wir mit der U-Bahn. Zum ersten Mal unterirdisch mit einer Bahn. Und dann die Ernüchterung als wir durch den Ostsektor fuhren. Die Bahnhöfe waren dunkel, nur ein paar Lichter, spärlich, und dann auf einmal ein Vopo sein Gewehr auf den Zug gerichtet.
Bilder, die ich nicht so schnell vergessen werde. Es hat mich ängstlich gemacht und mich in Erstaunen versetzt. Mich, der westdeutsche Tiener, in Freiheit aufgewachsen!
Ich blieb am 9. November sitzen in meinen Erinnerungen versunken, die Freude mitfühlend, an Familie denkend, an die Kriegsgeschehen denkend, die diese Mauer hervorgerufen hat.
Ein Stück in mir wurde geheilt. Damals wie heute.
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Als ehemaliger “Wessi”, bevor es diesen Unterschied noch gab, finde ich, dass wie eigentlich weiter auseinandergedriftet sind, als je zuvor. Die ‘Ostalgie’ herrscht es immer noch unter vielen Menschen aus dem thueringschen, saechsischen Gebieten Deutschlands, die meinen, sie lebten wirklich besser in der alten DDR!
Hallo, diese Töne höre ich auch. Ab und zu so als gemunkel. Aber auch da steckt ein Kern von Wahrheit drinnen oder.
Man muss doch noch immer eine extra Steuer bezahlen. Oder nicht?
Auch darüber ist man nicht so froh.
Als wir vor 2 Jahren mal in Weimar waren, sind wir was in der Umgebung herumgefahren. Ehrlich gesagt so ab und zu sieht es ‘aus wie früher’. Oder wie man das früher so gedacht hast, dass es so wäre. Als Wessies haben wir das ja nicht gewusst.
Aber irgendwie öde, ohne Farben halt.
Und den Zwiespalt fühlt man auch irgendwie.
Das Thema ist doch auch ‘Integration’ oder nicht?
Tschüss aus Holland
Claudia Sabine
Besonders Rentner beklagen sich darueber, die “guten” alten Zeiten seien eh besser als jetzt. Fuer dieselben Leute, laut Zeitungsberichten z.B. aus dem >SPIEGEL< und anderen Westjournals sei die vekaufsfaehige Gemuetlichkeit des Kapitalistischen eher unappetitlich im Vergleich zum sogenannten Soldaritaetsgefuehl dieses trotzdem grauen wuesten "Plattenbaustaats"!
Hoppla, Tippfehler! Zeile 2: “dass wir eigentlich….”
)))
Hallo zusammen!
Nun habe ich auch diese http://www.Seite für mich entdeckt und möchte spät – hoffentlich nicht zu spät – zu diesem Thema was schreiben:
Ich lebe seit rund 20 Jahren in Leipzig, bin aber in Westfalen nur wenige Kilometer von der Grenze mit den Niederlanden aufgewachsen. Als “Wossi” habe ich also sowohl den Westblick, als auch in gewissem Grade den “Ostblick” auf das Thema. Und ich habe in den 20 Jahren viele persönliche Gespräche mit “Ossis” geführt, wobei ich mehr meine Ohren als meinen Mund geöffnet habe.
Dabei habe ich gelernt, dass es in den Generationen, die die DDR noch wirklich erlebt haben, wohl tatsächlich viele Leute gibt, die durch die Wende und die Einheit etwas verloren haben, dem sie hinterher trauern: nämlich Teile ihrer vertrauten Heimat!
Und zwar handelt es sich wohl einerseits darum, dass viele seit Jahren und Jahrzehnten vertraute Dinge von jetzt auf gleich weggefallen oder wertlos geworden sind. Man muss sich nur mal überlegen, was sich in kürzester Zeit alles geändert hat für die “Ossis”. “Wessis” oder auch Niederländer, die schon mal die grundlegende Umstrukturierung einer Firma, in der sie Jahrzehnte gearbeitet haben, mitgemacht habe, können vielleicht nachempfinden, was ich meine. Man bleibt zwar in der selben Firma, es ist aber irgendwie nicht mehr die Firma, wie sie einem vertraut war. Die Vertrautheit muss erst wieder wachsen. Und manchmal wächst sie nie wieder so, wie sie mal war. Ich sehe hier Ähnichkeiten zum Thema “Wann ist man als Niederländer in Deutschland angekommen?” auf http://www.buurtaal.de: “Wann ist man als DDR-Bürger im überwiegend von Westdeutschland geprägten Gesamtdeutschland angekommen – und das, ohne den Wohnort zu wechseln?”
Hinzu kommt, dass ein weiterer Teil der Heimat abhanden gekommen ist, und zwar der, in dem es um das zwischenmenschliche Miteinander geht. Da scheint – den Berichten zufolge – viel von einem solidarischen Miteinander abhanden gekommen zu sein, was es vorher wohl gegeben haben muss – warum auch immer; vielleicht teils ja auch nur als solidarisches Wir-Gefühl gegenüber “denen da oben”.
Wie dem auch sei. Ich selbst habe hier noch eine warme, ehrliche und solidarische Herzlichkeit erleben dürfen, die ich so aus dem Westen nicht kannte. Und das vor allem auch von Leuten, die nicht zu den Gewinnern der Wende und der Einheit gehörten. Dafür bin ich dankbar!
Was ich übrigens in den Gesprächen nie gehört habe ist, dass sich jemand die DDR zurück gewünscht hätte. Die Leute haben, obwohl sie den verlorenen Teilen ihrer alten Heimat hinterher getrauert haben, immer ganz klar gesagt: Gut, dass die DDR weg ist!
Zur Westjournalie oder besser zur Journalie insgesamt: Vorsicht! Die müssen regelmäßig ihre Blätter voll kriegen und das mit knalligen Schlagzeilen und Berichten, die die Absatzzahlen sichern. Da bleiben schon mal die Wahrheit, die Objektivität oder die Verhältnismäßigkeit auf der Strecke.
Gruß
Jo.
Jo, Frenk, danke dir für deinen ausführlichen Bericht. Auch über die Ost/Westerfahrungen. Die DDR-Zeit war anscheinend zu kurz, um die herrschende Kultur bleibend, in den Wurzeln, zu verändern. Obwohl in manchen Dingen hat es mich auch erstaunt. So fiel mir bei Besuchen in Jena (wegen meines Studium)s auf wieviele junge Eltern es gibt. Oft sogar noch Studenten, die mit zwei Kleinkindern durch die Stadt laufen. In einer fröhlichen Runde sprach ich dies an, worauf mir gesagt wurde, dass man das aus DDR-Zeiten noch gewohnt sei. Da gab es Kinderkrippen und konnten die Eltern studieren und arbeiten. So im Täglichen integriert man scheinbar schon. Interessant finde ich die Diskussionen im Bezug auf Ost/West in unserer LinkedIn Gruppe oder bei Stammtischen. Das aber vielleicht mal mündlich.