In unserer LinkedIn Gruppe wütet im Augenblick eine Diskussion oder besser gesagt ein Austausch über ein für Deutsche wichtiges Phänomen: nämlich dem des ‚sich entschuldigen‘. (excuses aanbieden oder is het excuus maken). Anlass dieses Austauschs ist der Artikel eines unserer Mitglieder, Carolien Zimmermann, die zusammen mit Axel Wicke, einen Artikel in ‚de Volkskrant‘ publizierte mit dem Titel „Duitse excuuscultuur is de Nederlander vreemd“. Übrigens erschienen am 5.5, dem ‚bevrijdingsdag“, an dem die Niederländer feiern, dass sie von der deutschen Besatzung befreit wurden. Übrigens wird tags zuvor ‚dodenherdenking‘ gefeiert. An dem aller Gefallenen aller Kriege gedacht wird. Was für viele Deutsche immer wieder fühlt, als ob man nur den Toden gedenkt, die im 2. Weltkrieg, gefallen sind. Für mich, aber auch für viele andere Deutsche, ist das Anfang Mai eine heikle Periode, da wir behebt mit Kollektivschuld uns halt eben schuldig fühlen. Auf das Thema zurückkommend ‚immer‘ den Eindruck haben, dass auch wir Nachkriegs(enkel)kinder uns mal wieder ‚entschuldigen‘ müssen. Dabei empfinde ich es nicht als schwierig, um Entschuldigungen anzubieten, sondern eben immer wieder für diese Geschichtsperiode. So, als würde es nicht aufhören können oder dürfen und würden die Niederländer – im Allgemeinen, Ausnahmen gibt es sicher auch – nur hoffen, dass es auch nicht aufhört. Das Komische an der Sache ist nur, dass es eben dieses ‚Sich Entschuldigen‘ in der deutschen Form gar nicht in den Niederlanden gibt. Wie im Artikel beschrieben würde das für einen Niederländer bedeuten, dass ‚hij door de stof zou gaan‘ (durch den Schlamm kriechen müsste). Was eher nach einer Erniedrigung und Schulderkennung aussieht, als das es für uns Deutsche fühlt, die Entschuldigungen anbieten für etwas was das System aus dem wir kommen, bewirkt hat mit der Intention, das Verhältnis zu wahren und wiederherzustellen. Ohne damit Schuld zu bekennen. Im Allgemeinen entschuldigt man sich in den Niederlanden schon, dann aber eher etwas umständlich für deutsche Begriffe.
Zwei Kulturen, zwei Nachbarn und doch so unterschiedliche Verhaltensweisen, die sich in diesem heiklen Punkt nicht verstehen können ohne von der anderen Sichtweise zu wissen und diese zu akzeptieren.
Als praktisches Beispiel erinnere ich mich an eine Situation mit ‚meinen deutschen’ Studenten an der Hochschule. Kurz vor den Prüfungen wuchs die Unsicherheit über Inhalt, Ablauf und Notengebung. Wir sind nun mal eher Streber. Während meiner eigenen deutschen Schulzeit bedeuteten mir Deutlichkeit und Strukturen sehr viel .‚Was verabredet wurde, musste auch eingehalten werden‘. Wenn mir gesagt wurde, dass am xx. Tag die Planung fertig ist, dann rechnete ich auch damit und konnte ruhig weiterlernen. Diese Sicherheit versuchte ich auch meinen Studenten zu vermitteln und machte Versprechungen. Mein niederländischer Counterpart dachte da anders drüber. Wie auch immer, die Planung erschien viele Male (mal übertrieben) später. In der nächsten Unterrichtstunde entschuldigte ich mich vielmals für diesen Fehler. Ich erzählte es dem Niederländer, der mich nur verdutzt anschaute und sagte: ‚wieso denn entschuldigen. Die Sache ist doch erledigt. Vielleicht etwas später als geplant, aber sie haben es doch bekommen. Ich wüsste nicht, wofür ich mich entschuldigen sollte. ‘ Im dem Augenblick war ich sprachlos. Ich fand es so gar nicht schlimm, um mich zu entschuldigen und merkte auch, dass sich mit meiner Entschuldigung die Wogen wieder geglättet hatten.
Beim Lesen des Artikels von Carolien Zimmermann konnte ich dies Phänomen erklären.
Interessant wäre ja noch zu wissen, wo diese Kulturunterschiede herrühren. In meinem Kopf schwirren zusätzlich Begriffe wie: Vergangenheitsbewältigung, Wiedergutmachung, Kollektivscham. Begriffen, die Friso Wielenga in seinem Buch ‚Schaduwen van de Duitse geschiedenis’ behutsam doch wissenschaftlich versucht zu verklären. Was die Unterschiede eher aber nicht klärt. Könnte es geklärt werden durch die andere Art und Weise der Diskussionstechnik der beiden Kulturen: der deutschen Streitkultur und der niederländischen Konsensgesellschaft. Dem deutschen: nein, denn…. gegenüber dem niederländischen: du hast recht, aber…. (aus Frau Antje und Herr Mustermann von Dik Linthout).
Oder aber aus dem calvinistischen Glauben heraus. ‚Der Historiker Hermann von der Dunk behauptet, dass die Kalvinisten, um die Anarchie zu vermeiden, in ihrer weltlichen Domäne durchaus bereit waren, Kompromisse zu schließen. Wenn alles Irdische Nichtigkeit ist, braucht das Ergebnis nicht unbedingt perfekt zu sein. Nur Gott ist perfekt, der Lehrer bekommt ein ‚sehr gut‘ und der gelehrsame Schüler ein ‚gut‘, wie es früher in der Schule hieß – das Streben nach absoluter Perfektion ist ein verwerfliche Form des Götzendienstes. Aus dieser realistischen Grundhaltung heraus huldigt man einer ‚Mentalität der guten Absicht‘…… (Dik Linthout; H. von der Dunk ‚twee buren twee culturen).
Ich weiß es einfach nicht. Ich finde es aber mal wieder super interessant. Und es klären sich für mich einige Situationen aus der Vergangenheit. Es macht Spaß! Es tut weh! Twee kanten van dezelfde medaille.
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Hallo Claudia,
Ergaenzend zum spannenden und weiten Feld, was “deutsche Kultur” eigentlich konkret ausmacht/ ausmachen koennte sowie zu der von dir erwaehnten “deutschen Streitkultur”,moechte ich auf eine Kolume von Paulien Cornelissen verweisen.
Mir kam beim Lesen die Frage, ob es es diese Diskussion der Feminisierung der Sprache wohl auch in den Niederlanden gab/gibt?
http://www.nrc.nl/paulien/2013/06/07/innen/
Suza, ich danke dir für deine interessante Ergänzung zu diesem Thema.
Ik heb er nooit bij stil gestaan dat er op dit punt zo’n verschil zou zijn tussen de Duitse en de Nederlandse cultuur.
Verklaart dit ook waarom Nederlanders het zo moeilijk vinden om zich te verontschuldigen voor hun aandeel in de slavernij en de slavenhandel waaraan wij Nederlanders toch wel degelijk schuld hebben?
Könnte vielleicht vermuten. Genau wissen tue ich es nicht. Danke dir für deinen Comment