Geh nicht ‚raus! Blijf binnen!

6 April 2020 in .... herz,Geen categorie,Kollision der Kulturen

Es ist noch gar nicht so lange her und wir waren zum Langlaufen nach Norwegen gefahren. Na gut, In China gab es schon Coronakranke. Das war Ende Februar. Na gut, auch in Norwegen gab es einen Coronakranken. Aber irgendwie schien es weit weg zu sein. Wir gingen normal zur Arbeit, alle Kurse und alle Sportaktivitäten fanden statt. Und keiner schien an Corona denken zu wollen. Ich auf jeden Fall nicht. Anders war es dann als die ersten Kranken hier in den Niederlanden auftauchten, nach Karneval. Es wurde ernster. Und trotz allem fühlte ich mich sicher. Ich war gesund und lebte gesund. Na gut, ich falle vielleicht in die Risikoaltersgruppe. Dann wurde das Konzert am 13.3. zu Beethovens Geburtstag in Musis Arnheim abgesagt, dann die ersten Kurse, die Sporttermine, mein Goldschmiedekurs. Und trotz allem konnte ich dieses Phänomen noch nicht als Gefahr einordnen und als ‘etwas‘ was mich auch treffen könnte. Ich schob es von mir weg und schränkte mich qua Aktivitäten nicht ein. Wenige taten es, was mir nicht half den Ernst der Situation begreifen zu können oder zu wollen. 

Den Ernst der Sache begriff ich in dem Moment, wo Premier Rutte uns warnte und uns an unsere ‚gemeenschappelijke verantwoordelijkheid‘ erinnerte und dann in dem Moment, wo König Willem-Alexander seine Rede hielt. 

Ja jetzt aber. Ich rief meine alte Schulfreundin an. ‚Die hatte sich einge-igelt‘. Sie ging nicht mehr ‚raus, las und räumte auf. Meine Tante in Baden-Württemberg genauso. Nur zum Einkaufen und zum Besuch des Friedhofes verließ sie ihre selbstgewählte Quarantäne.

Ein anderer Bekannte reagierte ganz erstaunt von der Erzählung meinen Wanderungen hier in der Umgebung und meinem Besuchen der Wochenmärkten . ‚Wir sollten doch drinnen bleiben‘.  Sicherlich, so ab und an fühlte ich mich auch ungezogen und frech.

Wieso Freiheitsberaubung, sagte meine niederländische Hälfte!

Inzwischen ist dieser Drang nach Freiheit umgeschlagen in Angst. Ich informiere mich über Internet, sowohl auf deutschen wie auf niederländischen Webseiten. Dabei merke ich, dass deutsche Seiten und Zeitungen viel sachgerechtere berichten; manchmal schon ganz schön wissenschaftlich und hart. Und darin merke ich die Kulturunterschiede. Den Deutschen wird eine Explizitheit nachgesagt: alles was wichtig ist wird in Worte gefasst. Argumente und Fakten sollen überzeugen. Die Sachorientierung hat Vorrang vor der Bezugsorientierung.

Dies hilft mir meiner ‚angst een plek te geven‘. 

Auch wird den Deutschen ein regelorientiertes Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein nachgesagt; was in den Regeln und Gesetzen steht oder mir aufgelegt wird, tue ich. Man macht es unbewusst und ungefragt. Es ist internalisiert. So würde ich um Mitternacht in einer deutschen Stadt nicht bei Rot über die Kreuzung gehen. Wie anders ist es hier in den Niederlanden.

Als Deutsche kenne ich eine hohe Tendenz zur Unsicherheitsvermeidung. Risikos vermeide ich so viel wie möglich im Voraus. Bei der Planung nehme ich im Voraus alle Eventualitäten durch. Es könnte und es könnte und es könnte.

Gibt es darum so viel IC-Betten in Deutschland? Und vielleicht auch so wenig Sterbefälle?

Der Niederländer ist, nach meinem Empfinden, viel lockerer. Es gibt Regeln, aber wozu. Ich empfinde diese Regeln oft noch multi-interpretierbar. Auch in dieser Zeit: okay man soll drinnen bleiben, es sei denn… Und dann werden die Ausnahmen aufgezählt: ein wichtiger Beruf, das Einkaufen gehen und die frische Luft zum Gesundbleiben. Und der Besuch des Strandes an einem sonnigen Wochenende hilft sicherlich auch……

Dieses Schreiben hilft mir. Wie schon öfter empfinde ich das Hin-und-Hergerissen-sein zwischen zwei Kulturen.

Letztendlich bewandere ich meinen eigenen Weg:

  • ich halte Abstand (= minimal 1,50 Meter wie vorgeschrieben);
  • gehe nur dahin, wo nicht so viel Leute zusammenkommen oder aber warte lieber draußen und schaue dem stillen Treiben auf der Straße zu;
  • das Gleiche gilt dem Wandern in der Nähe oder zu Zeiten, wo es ruhiger ist;
  • verkneife ich mir den Strandbesuch;
  • und warte ab bis ich meine Leidenschaften, Goldschmieden und Sporten, pflegen kann. Na gut, ich mache es so gut es geht zu Hause mit Hilfe von Online-Programmen.
  • würde natürlich liebend gerne nach Deutschland zum Einkaufen von Rindfleisch für meine Rinderrouladen fahren; ich verkneife es mir.

Sicherheit geht vor! Nicht nur für mich. Sondern auch für diejenigen, die ich anstecken könnte.

 Ich weiß inzwischen, dass Angst nur ein Schritt ist zum…. So ich kann ich Angstzone verlassen, komme in die Lernzone und letztendlich in die Wachstumszone.

Das gönne ich jedem. Bleibt gesund und munter. 

 

 

 

 

3 reacties | laat een reactie achter ↓

1 Alexandra 9 April 2020 at 2:40 PM

Hi Sabine, in dieser aufwühlenden Zeit, muss gewissermaßen jede und jeder ihren oder seinen “eigenen Weg bewandern”. Wenn Regeln dir dabei Halt geben, kann ich das gut nachvollziehen.

Die Ausnahmen, die du erwähnst, gibt es hier in Deutschland aber genauso. Und es gibt lockere Deutsche ebenso wie besorgte Niederländer …

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2 Claudia Sabine van der Velpen 13 April 2020 at 4:21 PM

Hallo Alexandra, ja das stimmt. Trotzdem hat es war ich erstaunt, dass an den deutsch-niederländischen Grenzen deutsche Touristen in die Niederlande reisen wollten trotz der Wahnung, die Niederland zum Risikogebied erklärt hatte. Es war wohl das Wetter, die Fernwehe und Holland ist einfach schön im Frühling. Die alles Liebe und Gute.

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3 Claudia Sabine van der Velpen 24 April 2020 at 9:42 AM

Als Nachtrag zu diesem Thema. Wie erleben andere Deutsche die Coronakrise im Ausland. Dazu hat Katja Schleicher einige Damen eingeladen zur einer Talkshow. (https://www.youtube.com/watch?v=7bFnqb8VbEo&feature=youtu.be)
Ich fand es interessant und brachte wieder neue Aspekte.

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